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Wut in Traumatherapie und spirituellen Schulen

Die Wut: das missverstandene Gefühl. Das kam mir in den Sinn zum Thema Wut.

Wut hat einen schlechten Ruf, in vielen Kulturen, auch bei uns. Wofür ist sie aber gut?

Ist das eine Charakterschwäche? Oder einfach eine unerklärliche körperliche "Wallung"? Liebe verbindet, Trauer hilft uns, Abschied zu nehmen, aber Wut?

Wut ist das Gefühl, was uns sagt: "Da stimmt was nicht"; "jemand greift mich an, eine Verletzung droht", daher macht sie Herzklopfen und kampfbereit. Da muss ich jemandem sagen, dass er/sie so nicht mit umgehen darf, dass sein Umgang über meine Grenzen geht (=> gut erklärt bei Vivien Dittmer: Gefühle und Emotionen), wenn es um körperliche Angriffe geht, braucht es vielleicht mehr als Worte. So haben wir Menschen überlebt. Einer will mir meine einzige Kuh wegnehmen? Na, da schaun wir mal, wer der Stärkere ist!! In der Wut ist enorm viel Kraft enthalten, Lebens-, Willens-, Handlungskraft. Als Kind wird es uns meist aberzogen. Weg damit, das stört die Erwachsenen. Sie müssten sich sonst mit mir und meinem Willen auseinandersetzen! Wenn ich meine Wut nicht spüre, gehen die enthaltenen Informationen verloren und die Kraft steht nicht zur Verfügung, im schlimmeren Fall richtet sie sich gegen uns. Cui bono? Wem nützt es? Es ist praktisch für die Eltern, LehrerInnen und wenn man möchte, für das kulturell-politische "System", wenn wir unsere Grenzen nicht spüren und ignorieren, wenn uns etwas zuviel wird, wir ungerecht behandelt werden, wenn uns jemand etwas wegnehmen will. (Wie kommt es zu Burn-Out? Indem Menschen ihre Grenzen nicht bemerken).

Es gibt verschiedene Reaktionen auf Wut-Verbote. MancheR ist dann lieber traurig, statt gar nichts zu fühlen. Tatsächlich betrauern wir auch den Verlust von Lebensenergie. MancheR ist passiv-aggressiv, inszeniert sich als Opfer, HeiligeN, scheint immer nett zu sein, merkt aber die Manipulation nicht, "ich bin immer so nett, du musst das auch sein", z.B. MancheR unterdrückt die Wut und platzt gelegentlich wie ein Dampfkessel, wenn der Druck zu hoch wird, oft an einer unpassenden Stelle oder einem Schwächeren gegenüber (so ist es ja gelernt, nach unten treten). Das sind die verbogenen Formen von Wut (und anderen Gefühlen), die nichts mehr mit der wirklichen Situation zu tun haben.

Wut in spirituellen Schulen (nicht in allen, und prüfe bitte selbst, was dir in deiner Orientierung vermittelt wird): scheint ebenfalls nicht in Ordnung zu sein, der Mensch soll "in der Liebe sein" - und ähnliches. Alles andere ist das "Ego".  Das ist eine wirklich schöne Idee, ganz bestimmt braucht es mehr Liebe in der Welt. Wie soll aber ein Mensch, der sich selbst wenig spürt - wenig Kontakt zur seiner Kraft hat - sich vielleicht selbst nicht so sehr liebt - wie soll der "in der Liebe sein"? Zur mir kommen KlientInnen, die fast daran zerbrechen, solche spirituellen Konzepte nicht umsetzen zu können. Bei dem Versuch, diese Forderung oder Vorstellung zu erfüllen, werden noch mehr Empfindungen und Gefühlen weggeschoben und so mehr Trennung erlebt statt mehr Liebe.

Wirklich zu Liebe sind wir in der Lage, wenn wir fähig zu Verbindung sind, zu uns selbst, wenn in uns alles (oder sagen wir mal, möglichst viel) da sein darf. Da sind sich Traumatherapie und Spiritualität schon recht einig, "Da sein lassen" ist auch ein schönes Stichwort. Oft ist die Empfehlung, es mit Meditation und Stille zu versuchen. In der Meditation tut man nichts, außer da sein und alles da sein zu lassen, was in einem passiert. Alle Ablenkungen fallen weg. Für Menschen mit frühen Erfahrungen von "das - und das - und das - und du selbst auch - darf alles nicht sein" ist das mit-sich-in-Kontakt-sein oft so extrem schmerzhaft, dass stille Meditationen gar nicht möglich sind. Entweder dissoziiert der Mensch oder er quält sich. Da braucht es ein schrittweises, gemeinsames Vorgehen, in der Sicherheit eines haltenden anderen Menschen, um alte abgespaltene Gefühls- und Körperenergien und erschreckende Beziehungserfahrungen aus dem Körper, den Gedanken entlassen zu können.

Dann sind die lebendigen Gefühle da, die im HierUndJetzt helfen, für sich einzustehen, Energie für die eigenen Interessen zu haben, die Gehaltserhöhung zu fordern, die Vorfahrt zu behalten, sich genauso wichtig wie den Mann/die Frau oder die Kinder zu nehmen.

Wenn der Mensch  lernt, "nein"  ODER "ja" zu sagen, er/sie also die WAHL hat, dann kanns zur Liebe gehen - wenns passt.